Auslegung des Korans zur Rolle der Frau

Auslegung des Korans zur Rolle der Frau

Einige islamische Gelehrte und religiöse Verteidiger des Islams (sogenannte Apologeten) betonen, dass Männer und Frauen im Islam vor Gott gleichwertig seien. Sie sagen, dass Gewalt gegen Ehefrauen im Koran nicht erlaubt sei und dass eine solche Auslegung des Korans ein Missverständnis oder eine Fehlinterpretation darstelle.

Diese Auslegung steht für eine moderne, gewaltfreie Sichtweise des Islams, die sich auf Barmherzigkeit, Achtung und gegenseitigen Respekt in der Ehe stützt.

Andere religiöse Ausleger vertreten hingegen die Auffassung, dass der Koran von der Frau Gehorsam gegenüber dem Ehemann verlangt – und dass der Mann dieses Gehorsam notfalls mit Strenge oder sogar körperlicher Züchtigung einfordern dürfe.

Viele heutige Apologeten widersprechen dieser Sichtweise. Sie argumentieren, dass der betreffende Vers im Koran nicht als Erlaubnis zur Gewalt gegen Frauen verstanden werden dürfe. Stattdessen sei damit eine symbolische und ernste Ermahnung gemeint.
Allerdings bleibt diese Position umstritten, da der genaue Wortlaut des Koranverses teilweise als mehrdeutig oder interpretationsbedürftig gilt.

Da es keine zentrale religiöse Instanz im Islam gibt und Korankritik traditionell vermieden wird, ist es für viele Gläubige schwer, sich offen gegen traditionelle Deutungen zu stellen. Die Meinungen in der muslimischen Welt dazu sind daher vielfältig und hängen stark vom sozialen, kulturellen und politischen Umfeld ab.

Der islamische Ehevertrag und die Rollenverteilung

Der islamische Ehevertrag verpflichtet den Ehemann dazu, alleine für den Unterhalt seiner Familie aufzukommen. Er vertritt die Familie nach außen und trifft anstehende Entscheidungen zum Wohnort, zum Schulbesuch der Tochter, zur Beschneidung des Sohnes usw. Die Ehefrau ist für die Erziehung der Kinder, das Wohlbefinden des Ehemannes und die Führung des Haushaltes zuständig.

Angemessenes, respektvolles Verhalten gegenüber den Eltern, Älteren und Männern, Zurückhaltung im Umgang mit dem anderen Geschlecht und die Wahrung eines untadeligen Rufes für Mädchen und Frauen gehören ebenfalls zu den grundlegenden Erziehungsidealen im Islam, für deren Einhaltung der Mann verantwortlich ist.

In den ländlichen Gebieten ist das Gemeinschafts- und Gesellschaftsdenken ausgeprägter als das individuelle Handeln und Denken. Deshalb muss jede(r) Einzelne seiner/ihrer Rolle, die ihm bzw. ihr durch das eigene Geschlecht zugeschrieben ist, gerecht werden. Diese Rolle ist exakt auf beide Geschlechter und deren Verhaltensweisen zugeschnitten. Die Züchtigung der Mädchen und Frauen bildet darin einen festen Bestandteil.

Diese Aufgabenverteilung ist in vielen muslimisch geprägten Kulturen fest verankert, insbesondere in ländlichen Regionen.

Erziehung und gesellschaftliche Erwartungen

In der islamischen Erziehung gelten folgende Verhaltensregeln als wichtig:

  • Respekt gegenüber Eltern, älteren Personen und Männern
  • Zurückhaltung im Umgang mit dem anderen Geschlecht
  • Bewahrung eines guten Rufs (besonders bei Mädchen und jungen Frauen)

Der Mann trägt laut traditioneller Vorstellung die Verantwortung dafür, dass diese Regeln eingehalten werden.

In vielen ländlichen Regionen steht das Wohl der Gemeinschaft über dem des Einzelnen. Jeder Mensch muss die Rolle erfüllen, die ihm oder ihr je nach Geschlecht zugeschrieben wird. Diese Rollenbilder sind klar definiert – für Männer wie für Frauen.

In diesem kulturellen Zusammenhang wird das sogenannte „züchtigende Verhalten“ gegenüber Mädchen und Frauen oft als Teil der Erziehung verstanden – was in modernen Gesellschaften zu recht als Gewalt abgelehnt wird.

Rechte von Männern und Frauen

In der Praxis hat der Mann in vielen islamisch geprägten Gesellschaften mehr Rechte als die Frau – zum Beispiel beim Erbrecht, bei der Zeugenaussage, im Ehe- und Scheidungsrecht sowie bei der elterlichen Sorge für die Kinder.

Mädchen werden oft schon früh auf ihre Rolle als Ehefrau und Mutter vorbereitet. Diese Vorbereitung hat häufig Vorrang gegenüber der Schulbildung. Mädchen übernehmen bereits in jungen Jahren Haushaltsaufgaben und lernen, Verantwortung im häuslichen Bereich zu übernehmen.

Diese Rollenprägung ist besonders in ländlichen Regionen stark verbreitet.

Mit dem Einsetzen der ersten Regelblutung gelten Mädchen dort oft als „heiratsfähig“. Ab diesem Zeitpunkt unterstehen sie der strengen Aufsicht männlicher Familienmitglieder. Denn für viele Familien steht die Wahrung der Ehre im Vordergrund – und diese wird stark mit der Keuschheit der Töchter bis zur Eheschließung verbunden.

Gehorsam gegenüber Männern wird Mädchen deshalb schon früh vermittelt – eine Haltung, die unter modernen Gesichtspunkten kritisch zu betrachten ist.

Dipl. Päd. Nare Yesilyurt

01.06.2011

Überarbeitet 30.06.2025

Wichtiges in Kürze

Im Islam gibt es unterschiedliche Auslegungen zur Rolle von Mann und Frau in Ehe und Gesellschaft – moderne Gelehrte betonen Gleichwertigkeit, Respekt und Gewaltfreiheit, während traditionelle Deutungen oft Gehorsam der Frau und die Autorität des Mannes hervorheben. In vielen muslimisch geprägten Kulturen, besonders in ländlichen Regionen, sind traditionelle Rollenbilder tief verwurzelt, was zu einer Benachteiligung von Frauen in Bildung, Rechten und gesellschaftlicher Teilhabe führt.

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Nare Yesilyurt

Ich bin Nare Yesilyurt, Geschäftsführerin von Deta-Med – wir stehen für kulturspezifische Pflege und Integration in Berlin.familienfreundliche Arbeitsmodelle.

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