Datenauswertung Pflege

Datenauswertung von 1999–2003 bei Deta-Med

Die Struktur der Klientel von Deta-Med in der Zeit von Mai 1999 bis Mai 2003 stellte sich folgendermaßen dar:

Im genannten Zeitraum wurden insgesamt 564 Patientinnen und Patienten im Alter von 60 bis 75 Jahren versorgt. Der überwiegende Anteil – 512 Personen – war türkischer Nationalität. 38 Patientinnen waren deutscher Herkunft, der Rest setzte sich aus arabischen, jugoslawischen, griechischen und russischen Personen zusammen. Die statistische Auswertung bezieht sich ausschließlich auf die Patientinnen türkischer Herkunft. Insgesamt wurden die Daten von 357 Frauen und 155 Männern ausgewertet.

Auffällig war, dass 36,5 % der 357 weiblichen Patientinnen der Altersgruppe von 51 bis 60 Jahren angehörten. Unter ihnen waren 191 Analphabetinnen, bei den Männern waren es lediglich 36. Die meisten Patientinnen fielen in die Pflegestufen I und II. Weiterhin fiel die häufige Kostenübernahme durch das Sozialamt auf – insbesondere im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach § 64 BSHG. Davon betroffen waren 274 Personen (168 Frauen, 106 Männer). Insgesamt verstarben 72 Patientinnen im Verlauf ihrer Erkrankung – 47 Männer und 25 Frauen.

Die in der Statistik von Deta-Med am häufigsten dokumentierten Krankheitsbilder waren Depressionen, unter denen 94 Männer und 223 Frauen litten. Typische Alterskrankheiten wie Diabetes mellitus und koronare Herzkrankheiten traten bei mindestens 36,26 % der Männer und 40,64 % der Frauen auf.

Bemerkenswert ist die hohe Zahl an Verschleißerscheinungen des Bewegungsapparates. Davon betroffen waren 67 Männer und 153 Frauen. 16 % der Patient*innen hatten eine Krebserkrankung (54 Männer und 36 Frauen).

Bis Mai 2003 versorgte Deta-Med täglich ca. 120 Stammpatientinnen mit rund 170 Hausbesuchen pro Tag, da einige Patientinnen mehrmals täglich betreut wurden. Etwa 150 weitere Stammpatientinnen wurden gemäß § 37 SGB XI betreut. Diese wurden in der Statistik nicht berücksichtigt. Dabei handelt es sich um Pflegebedürftige aller Pflegestufen, die Pflegegeld erhalten und von Angehörigen gepflegt werden. Der Kontakt beschränkt sich auf Pflegevisiten im Abstand von drei oder sechs Monaten, bei denen im Auftrag der Pflegekassen die Qualität der Pflege beurteilt wird. Zudem werden diese Patientinnen über Pflegehilfsmittel aufgeklärt und bei der Beantragung unterstützt.

Ca. 95 % der Pflegenden sind weibliche Familienangehörige. In der Regel erhalten die pflegenden Frauen das Pflegegeld nicht selbst – es wird als zusätzliches Einkommen den Pflegebedürftigen überlassen. In der traditionellen türkischen Familienhierarchie gilt es als Pflicht der Frau, hilfebedürftige Familienmitglieder zu versorgen. Daraus ergibt sich eine geringe Bereitschaft, Entlastungsangebote wie z. B. Kombinationspflege in Anspruch zu nehmen.

Ergebnisse aus den Biographien der Patient*innen (Mai 1999 – Mai 2003):
„Man hat Arbeitskräfte gerufen, und es kamen Menschen.“ (Max Frisch)

Alle Patient*innen verbrachten ihre Kindheit und Jugend in der Türkei. Das Altwerden in Deutschland war von ihnen nicht geplant. Die meisten wurden als „Gastarbeiter“ angeworben oder kamen im Rahmen der Familienzusammenführung nach Deutschland. Voraussetzung für die Einreise war ein einwandfreier Gesundheitszustand. Vorab wurden sie ärztlich untersucht. Es wurde berichtet, dass selbst Zahnlücken oder Schwangerschaften zur Ablehnung führen konnten.

80 % der Patient*innen äußerten den Wunsch, in die Türkei zurückzukehren. Daraus entwickelte sich eine sogenannte Pendelgesellschaft: Viele verbringen Frühling und Sommer in der Türkei, kehren im Herbst nach Deutschland zurück und bleiben hier über den Winter.

85 % der Patientinnen waren vor ihrer Erkrankung in Doppelbeschäftigung tätig, da ihr Einkommen im Vergleich zu deutschen Kolleginnen geringer war. Die tägliche Arbeitszeit betrug bis zu 16 Stunden, häufig ergänzt durch Wochenendarbeit. Um möglichst schnell genug Geld für eine Rückkehr zu sparen, lebten viele in günstigen, oft schlechten Wohnverhältnissen. Daraus entstanden Ballungsräume für Gastarbeiter*innen, was den Spracherwerb und die Integration erschwerte.

Der schlechte Gesundheitszustand von 73,5 % der Patient*innen ist auf schwere Arbeitsbedingungen zurückzuführen. Viele arbeiteten mit giftigen Chemikalien ohne Schutzkleidung oder bei widrigen Wetterverhältnissen im Freien. Schlechte Beleuchtung, schlechte Belüftung, Zugluft, nasse Arbeitskleidung, hohe Unfallgefahr und Akkordarbeit führten zu langfristigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Die berufstätigen Frauen waren zusätzlich durch Haushalt und Familienversorgung belastet. Bei 87 % der Patientinnen kam es zu häuslicher Gewalt. Viele berichteten, sexuelle Kontakte gegen ihren Willen erlebt zu haben. 65 % der Frauen wurden von ihren Partnern betrogen.

38,5 % der Patient*innen hatten keine Schulbildung. Oftmals war der Schulbesuch im Herkunftsort nicht möglich, oder die Eltern konnten sich die Ausbildung nicht leisten. Häufig wurde Mädchenbildung als unnötig angesehen.

Durch das frühe Ausscheiden aus dem Berufsleben verfügen viele Patientinnen nur über eine geringe Rente. Die Folge: Mit Renteneintritt wurden sie Sozialhilfeempfängerinnen. Adäquater Wohnraum, ausgewogene Ernährung und gesellschaftliche Teilhabe sind unter diesen Bedingungen kaum möglich.

80 % der Patient*innen äußerten den Wunsch, in der Türkei bestattet zu werden. Gleichzeitig möchten sie in der Nähe ihrer Kinder bleiben. Zwar wird die medizinische Versorgung in Deutschland als besser angesehen, doch viele fühlen sich dem Herkunftsland entfremdet. Aus diesem Spannungsverhältnis entstand die bereits erwähnte Pendelgesellschaft.

Gesundheitszustand:

Alle Patient*innen wiesen eine schlechte gesundheitliche Verfassung auf. Häufig genannte Erkrankungen:

  • psychosomatische Beschwerden
  • degenerative Erkrankungen des Bewegungsapparates (z. B. chronische Schmerzen, HWS-/BWS-/LWS-Syndrom)
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • rheumatische Gelenkserkrankungen
  • Depressionen (häufig medikamentös behandelt)
  • nervliche Überlastung
  • Diabetes mellitus

Am 3.07.2025 Überarbeitet

 Dipl. Päd. Nare Yesilyurt

Wichtiges in Kürze

Zwischen 1999 und 2003 versorgte Deta-Med überwiegend ältere Patient:innen mit türkischem Migrationshintergrund, deren Gesundheitsprobleme stark durch harte Arbeitsbedingungen, geringe Bildungschancen und doppelte Belastung – besonders bei Frauen – geprägt waren. Viele litten an chronischen Erkrankungen, Depressionen und sozialen Einschränkungen, lebten in einer „Pendelgesellschaft“ zwischen Deutschland und der Türkei und wünschten sich, im Herkunftsland bestattet zu werden.

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Nare Yesilyurt

Ich bin Nare Yesilyurt, Geschäftsführerin von Deta-Med – wir stehen für kulturspezifische Pflege und Integration in Berlin.familienfreundliche Arbeitsmodelle.

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